Vegvisir Race – 225sm abenteuerliches Segeln zwischen dänischen Inseln

Die erste Langstreckenregatta liegt im Kielwasser von WHOMPER. Wobei, wie eine richtige Langstreckenregatta fühlte sich das nicht an. Das Vegvisir Race ist ein 225 sm langes Rennen, das im dänischen Nykøbing startet und im Zick-Zack durch die dänische Inselwelt mit all ihren Untiefen und schmalen Fahrwassern führt. Gestartet wurden die 80 Boote einhand oder zweihand, auf 86sm, 152sm oder 225sm langen Kursen. Ich ging zusammen mit Sverre Reinke auf dem längsten der Kurse an den Start. In unserer Kategorie war noch ein weiterer Mini (Hasso Hoffmeister auf seiner Dingo 2 n°746) dabei, mit dem wir uns direkt messen konnten.

Bereits die Hinüberführung war aufregend: bei Vollmond und auf 20 Knoten zunehmendem Wind rauschten wir am 13. August unter Gennacker von Travemünde aus an Fehmarn vorbei bis nach Gedser. Die Wellen wurden konfus und steil, sodass wir eine echte Achterbahnfahrt mit Vollwaschgang bis zu den Hüften hatten. Aber wir waren rasend schnell! Da wir nach einem intensiven und erfolgreichen Basteltag -die Außenborderhalterung sowie eine schicke CFK-Halterung für GPS und AIS sind nun angebaut- erst recht spät abends losgekommen waren, machten wir um 03:00 Uhr nachts in Gedser fest. Die letzten 10sm durch den südlichen Teil des Guldborg Sunds wollten wir nur bei Tageslicht absolvieren. Nach ein paar Stunden Schlaf ging es also im Konvoi mit Hasso und nur unter Fock durch die 1,80m tiefe und an manchen Stellen sehr schmale Rinne nach Nykøbing. Mit einem Serienmini hat man einen Tiefgang von 1,60m, es war also eine nervenaufreibende Fahrt. Dazu kamen in manchen Biegungen noch mindestens 1,5 Knoten Gegenstrom, die Steine guckten etwas außerhalb des Tonnenstrichs schon aus dem Wasser.

In Nykøbing angekommen wurden wir herzlich von den ehrenamtlichen Helfern des Rennens empfangen und hatten noch einen Tag Zeit für etwas Erholung und ein paar kleinere Arbeiten. Am Abend hielt ich einen Vortrag im Clubhaus des Vikingen, bei dem wie zu Erwarten bei vielen Einhand-Seglern im Publikum sehr interessante Fragen aufkamen.

Am 15. August um 18:00 Uhr starteten wir als erste Gruppe ins Vegvisir Race. 10sm Raumschotskurs bei sehr leichtem Wind und Regen im etwa 50m breiten Fahrwasser lagen vor uns, bis wir durch die Guldborg Brücke segelten und das Fahrwasser breiter wurde. Eigentlich absolut unser Kurs, aber wir kamen leider nicht so recht aus den Abwinden der anderen Boote raus und wollten auch nicht das Risiko eingehen ganz nach Luv außerhalb des Fahrwassers zu fahren und aufzulaufen. Nicht nur ein Boot landete auf den ersten Meilen auf einem Flach.

Die erste Nacht war alles andere als einfach für uns: allein die Navigation um Femø, Agersø, Omø und dann im Morgengrauen Langelandhielt bei den engen Kursen immer einen von uns auf Trab. Nun durften wir zwar anders als bei den Classe Mini Regatten mit elektronischen Seekarten navigieren, aber auch daran muss man sich erstmal gewöhnen. Bei 70-100°TWA waren wir wirklich schnell und überholten mehrere größere Boote, aber wir mühten uns mit dem Code 0 auch richtig ab und hatten drei Segelwechsel bis es später an die Kreuz ging. Ein navigatorischer Fehler hat uns aber richtig gekostet: auf unseren Karten gab es leider eine Abkürzung über ein Flach nicht. Wir verstanden erst zu spät, wohin alle Boote abgedreht waren und verloren so bestimmt 1,5sm und hätten uns einen Segelwechsel und einen tiefen Vorwindkurs sparen können…. Dazu kam ein Problem mit den beiden Cockpitwinschen, die plötzlich nicht mehr griffen und im wahrsten Sinne des Wortes durchdrehten. Also hieß es Winschen auseinanderbauen und wieder zusammensetzen. Leider löste das das Problem auch nur kurzfristig. Um das Fass zum Überlaufen zu bringen schnitt ich mir auch noch mit einem Messer drei Finger auf….an Schlaf war in dieser Nacht weder für Sverre, noch für mich so richtig zu denken.

Als wir am Morgen mit der aufgehenden Sonne auch das Fahrwasser von Marstal vor Aerø hinter uns gelassen hatten, war endlich unsere Sternstunde gekommen. Der große pinke Gennacker ging hoch und wir rauschten mit 13-14 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit (!) nach Fehmarn. Der Wind spitzte nach einer Stunde Fahrt etwas zu und die Wellen wurden steiler, sodass wir auf den mittleren Spi wechselten. Immer wieder stoppten wir mit dem Bug kurz in einer Welle auf etwas 10 Knoten ab und das Wasser rauschte nach hinten ins Cockpit, nur um nach 5 Sekunden wieder voll zu beschleunigen. Wow! Auf diesen Kursen kann man das Potentiel des Wevo 6.5 erahnen. Wenn jetzt die Welle noch ein bisschen länger wäre,… In nur einer Stunde hatten wir die etwas 5sm Rückstand auf Hasso aufgeholt. Laut Tracker lag der Maximalspeed bei 17,5 Knoten.

Nach dem Passieren der Fehmarn Brücke nahm der Wind langsam ab, wir zogen wieder den großen Gennacker hoch und segelten an Hasso vorbei. Die Landspitze bei Gedser bot uns zwar eine sehr schöne Abendstimmung, aber leider verließ uns der Wind komplett. Während wir noch am Gewichtstrimm herum experimentierten und auf den Code 0 wechselten, schlich Hasso langsam an uns vorbei. Bis kurz vorm Ziel ging es nun im Matchrace-Modus weiter. Eine Seascape 27 reihte sich auch noch für einige Stunden ein. Der Wind stabilisierte sich glücklicher Weise wieder, sodass wir unter großem Gennacker in das nächste relativ enge Fahrwasser, den Grønsund, einbiegen konnten. Ein Highlight hatten die Organisatoren der Regatta aber noch in petto: im kleinen Hafen von Stubbekøbing war eine gelbe Tonne zu runden. Zum Glück war wenig Wind und es war immer nur ein Boot gleichzeitig im Hafenbecken…

Zwei Brücken später nahm der Wind wie vorhergesagt ordentlich zu, das Fahrwasser wurde breiter, der Kurs zur Insel Femø spitzer und wir wechselten auf den Code 5. Doch obwohl wir sogar ein Reff im Groß hatten, wurde es ein abenteuerlicher Ritt und wir schossen mehrmals in den Wind. Grund dafür waren wahrscheinlich Unmengen Algen am Kiel, mit denen wir schon die ganze Zeit in den engen und flachen Fahrwassern zu kämpfen hatten. Nicht selten mussten wir kurz rückwärts segeln, um sie los zu werden. So auch kurze Zeit später hoch am Wind auf dem Weg zur Guldborg Brücke, als Hasso direkt hintern uns war und wir nur noch 3 statt 6 Knoten Fahrt machten…

Doch der größte Challenge kam erst noch. Auch in der zweiten Nacht hatten wir maximal eine Stunde lang geschlafen, freuten uns also langsam wirklich auf einen warmen Schlafsack und eine ordentliche Mütze voll Schlaf. Doch es lagen noch 10sm im engen Guldborg Sund vor uns und der Wind kam mit 10 Knoten genau von vorne. Dazu empfing uns der neue Tag mit penetrantem Regen. Unsere Winschen funktionierten inzwischen überhaupt nicht mehr, sodass wir die 50 Wenden eben ohne Winschen für die Fockschot fuhren. An ein wettbewerbsfähiges Wendeduell mit Hasso war damit leider nicht zu denken, an ein Frühstück noch weniger. Drei Stunden später, etwa 1sm vor der Ziellinie, wurde zwar das Wasser auf einer Seite des Tonnenstrichs etwas tiefer, doch dafür lagen dort überall Fischertonnen. Wir angelten zum krönenden Abschluss also auch noch zwei davon und segelten nochmal 100m rückwärts um das Bodennetz loszuwerden. Die Ziellinie war zwar sehr eng ans Clubhaus gelegt, sodass es schwierig war mit den 2 Knoten Gegenstrom überhaupt über die 50m breite Ziellinie zu kommen, aber gegen 10:30 Uhr hatten wir es als zweites Boot unserer Gruppe endlich geschafft! Mit einer warmen Suppe und einem Bier wurden wir im Clubhaus in Empfang genommen. Herzlichen Glückwunsch an Hasso Hoffmeister und seiner Co-Skipperin Susann Beucke und ein riesiges Dankeschön an die Organisatoren dieser verrückten, anspruchsvollen, aber durchaus reizvollen Regatta!

Natürlich hätten wir dieses Rennen gerne gewonnen, und es war wirklich denkbar knapp, aber es gibt einfach noch zu viel neues an diesem Boot. Dinge, die noch optimiert werden müssen, Probleme, die noch ausgemerzt werden müssen und auch Trimmeinstellungen, die erst noch gefunden werden müssen. Doch eins hat sich auf den ersten 500 gesegelten Seemeilen definitiv gezeigt: WHOMPER hat ein wahnsinniges Potential!

Nach einer durchschlafenen Nacht lösten wir am nächsten Morgen die Leinen für die Rücküberführung nach Travemünde. Wieder ging es durch den engen Guldborg Sund nach Süden, doch diesmal lief alles deutlich entspannter ab als auf der Hintour. Der Wind kam natürlich genau aus SW, also von vorne, aber so hatten wir ein bisschen Zeit um uns mit den noch ungewohnten nke Displays vertrauter zu machen, den Autopiloten einzugewöhnen und ordentlich Lyofood zu kochen. Die 60sm zogen sich zwar sehr in die Länge, aber nach einer Flautenphase bei den Windrädern vor Gedser lief es dann doch erstaunlich gut. Ein Mini, der über 6 Knoten Am Wind fährt, ist eben auch etwas Besonderes. Als es dunkel wurde, begleitete uns der immer noch recht volle Mond und gegen 02:00 Uhr morgens nahmen wir in der inzwischen schon ziemlich vertrauten Travemündung die Segel runter.