Die erste offizielle ORCi Doublehanded Europameisterschaft

Nach 290 gesegelten Seemeilen und 61h haben wir unsere erste gemeinsame Regatta dieses Jahr beendet. Diese war keine geringere als die erste ORCi doublehanded EM überhaupt, die in Helsingør im Rahmen des Sjælland Rundt ausgetragen wurde. Das Wichtigste kurz vorab:  Die Regatta war von viel Leichtwind geprägt. In unserer Gruppe sind wir gesegelt wie berechnet auf Platz fünf gelandet, aber erstmal alles von Beginn an…

Auf dem Weg von Fehmarn nach Helsingør

Sportliche Überführung von Fehmarn nach Helsingør

Regattasegeln bedeutet meist auch viel Logistik – wann und wie das Boot und Equipment von seinem Heimathafen auf Fehmarn zum 160 Seemeilen entfernten Starthafen in Helsingør gelangt. Da Lina bis zu dem Tag vor dem Startschuss arbeiten musste, hat sich Sverre kurzerhand für die Überführung einen Gast an Bord geholt: seine Mama Marion. Die Bedingungen sahen alles andere als rosig aus, Wind von weit über 30 Knoten waren angesagt, natürlich genau von vorne, und dazu war mit einer kurzen und steilen Welle zu rechnen. Um das Material und seinen Magen zu schonen, entschied sich Sverre daher für den etwas längeren aber dafür geschützten Weg durch den Großen Belt. 

Am Samstag den 10.6. legten wir früh morgens gegen 7:00 Uhr in Burgtiefe ab. Zum Eingewöhnen schnell vor dem Wind durch den Fehmarn Sund und dann Halbwind in den Großen Belt. Uns erwischten Böen bis 33 Knoten, aber mit einem Reff im Großsegel war alles gut unter Kontrolle. Auch die zwei Knoten Strom von hinten, die uns zur Großen Belt Brücke schoben, halfen, über die unangenehme Welle hinweg zu sehen. Ab der Brücke nahm der Wind dann merklich ab und unter Code 0 ging es bei Sonne satt schnell zu unserem Zwischenziel, der Insel Sejerø im Samsø Belt. Die Fahrt war nicht aufregend, aber schnell und vor allem blieb alles heile!

Sonntag lagen dann noch knapp 70 Meilen vor uns. Der Wind hatte inzwischen merklich abgenommen und auf den Amwind- und Kreuzkursen entlang der nördlichen Küste von Sjælland nutzte Sverre die Zeit, die Instrumente zu kalibrieren. Auch wenn die letzten zehn Meilen bei Wind von vorne und Gegenstrom lange dauerten, konnte man sich im nördlichen Öresund kaum schöneres Segeln vorstellen. Gegen 20:00 Uhr erreichten die beiden dann schließlich Helsingør, wo sie sich direkt ins Päckchen für den Sicherheitscheck am nächsten Morgen legen konnten.

Sicherheit an oberster Stelle!

Um noch genügend Zeit für mögliche Beanstandungen zu beheben, haben wir uns einen frühen Slot für den Sicherheitscheck direkt am Montag morgen gesichert. Bei dieser Regatta wird nach OSR Kategorie 3 gesegelt. Diese Sicherheitsbestimmungen sind vorgesehen für “Wettfahrten auf offener See, bei der ein Großteil relativ geschützt oder nahe der Küstenlinie verläuft.” In ihnen ist geregelt, wie viele Eimer an Bord sein müssen, wie der Erste Hilfe Kasten bestückt sein muss, wie hoch die Seereling zu sein hat und vieles mehr.

Ein Blick auf die Uhr: es ist 9:30, also noch eine Stunde Zeit bis zum Check. Ausreichend, um das komplette Equipment zurechtzulegen. Da stehen bereits zwei nette Herren vor dem Boot: “Wir sind zwar etwas früh, aber wir hätten gerade Zeit. Dürften wir vielleicht schon…?” Selbstverständlich habe ich sie an Bord gebeten. 2 Eimer? Check. Sicherheitsleinen? Check. Schwimmwesten, Ersatzpatrone, Sicherheitsleine? Check, check, check. Vielen Dank an dieser Stelle an die Firma Lenz, die unsere Westen noch kurz vor der Regatta schnell und unkompliziert gewartet hat!

Schell war die komplette Liste der Anforderungen abgearbeitet und es gab nur wenig zu beanstanden. In den beiden Sturmsegeln fehlte das Vermessungslabel, was vor Ort nachvermessen werden konnte, und eine zusätzliche Schwimmleine sollte Lina noch aus Deutschland mitbringen. Fast langweilig fanden die beiden Herren diese problemlose Kontrolle. Doch dann gab es noch eine Diskussion um eine Notpinne, die jedes Boot mitzuführen hat. Oder ist sie für die Dehler mit ihrem freiliegenden Steuersystem doch nicht notwendig? Am Ende musste doch eine her. Um Gewicht zu sparen wurde dem Notpaddel-Bootshaken ein dritter Nutzen zugeführt. Ein paar gezielte Bohrungen, ein gutes Dyneema Lashing und fertig ist die Notpinne, sodass wir am Dienstagabend, als Lina in Helsingør ankam, alle Checks absolviert hatten.

Sicherheitskontrolle

Doublehanded EM – das Rennen in Bildern

Das Rennen

Um 10:00 am Mittwoch fiel dann bei 6-8kn Wind und herrlichem Sommerwetter der Startschuss. Insgesamt waren 31 Boote in drei Startgruppen dabei. Wir starteten in ORC B mit 11 Booten. Zwischen der Küste Sjaellands und dem Verkehrstrennungsgebiet kreuzten wir Richtung NW raus aus dem Sund und weiter nach Anholt. Einige Boote hielten das VTG wohl nur für schmückende Striche in der Karte und hielten sich nicht an das Befahrensverbot. Da wir aber erstaunlicherweise auch wiedersprüchliche Infos in unseren Seekarten fanden, verkniffen wir uns einen Protest…

Wir hatten etwas Schwierigkeiten in das Rennen reinzufinden. Es lief einfach nicht gut. Uns fehlten Geschwindigkeit und Höhe, die Werte auf den Instrumenten stimmten nicht richtig. Nach mehreren Wechseln zwischen Code 0 und Fock erreichten wir zum glühend roten Sonnenuntergang, eher im hinteren Mittelfeld, Anholt. Einmal Wetterinfos checken und dann ging es unter A2 bei zunehmendem Wind wieder nach Süden Richtung Samsø. Unser Plan, bei angesagtem abnehmendem und rechtsdrehendem Wind einen Lee-Bogen zu fahren, ging leider nicht auf. So fanden wir uns mit unserem A2 bei zunehmendem und linksdrehendem Wind bei 20kn Wind und einem TWA von 110 Grad wider. Das war etwas „on the edge“, aber schnell. Richtig gewonnen haben wir leider nichts auf diesem leg. Aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt… Der Wind hielt zum Glück an bis wir vorm Wind kreuzend die Große Belt Brücke erreicht hatten. Von da an hörte auch der Nieselregen auf und Sommer, Sonne, Flaute standen auf dem Programm.

Insgesamt ließ uns der Kurs mit seinen festgelegten Bahnmarken wenig taktischen Spielraum. Nun konnten wir aber zumindest entscheiden, nicht direkt unter der Küste weiterzufahren, sonsern die Insel Agersø backbord zu lassen, was uns wieder an die Gruppe von 8 Booten vor uns heranfahren ließ. Vorm Wind kreuzend bei 4-8kn Wind -nicht unbedingt die Paradedisziplin der Dehler 30od- ging es in den Grønsund mit seinen zwei weiteren Brücken hinein. Das Spiel „zwei Boote vor, eins zurück“ begann….. Kurz vor der Farø Brücke angekommen, hatte der Wind sich komplett verabschiedet und natürlich hatten wir noch 2kn Gegenstrom. Nach zweistündigen Anläufen hatten wir bei Sonnenuntergang endlich die Brücke passiert, doch kurz dahinter war für fast alle Schluss: als wir mit 0,8kn rückwärts trieben, warfen wir gegen 23:00 den Anker. Als die Peilung zum Land stand, konnten wir endlich etwas essen und uns kurz schlafen legen, bevor gegen Mitternacht der Strom wie angesagt kippte und wir langsam weiter trieben. Als sich das Ende des Sunds näherte, wich die schwarze Nieselregennacht auch schon einer langen Dämmerung. Endlich wieder freies Wasser! Unter A2 segelten wir vor dem Wind in Schlagweite zu einer der anderen Dehler 30ods und der deutschen JPK 10.30 Lightworks Kopenhagen entgegen. Mit der sich am Vormittag langsam durchsetzenden Sonne nahm der Wind leider weiter ab, was uns in Kombination mit dem herüber schwappenden Schwell der Frachter aus dem Kopenhagener Verkehrstrennungsgebiet komplett stehen ließ während die Gruppe vor uns weiter fuhr.

Die restlichen 60sm bis Helsingør zogen sich ziemlich zäh dahin, doch wir schafften es, weiterhin fokussiert und motiviert zu bleiben und kämpften um jeden Meter. Zum krönenden Abschluss gab es noch ein deftiges Gewitter mit Böen bis zu 33kn genau von vorne zu durchfahren. Alles blieb heile, wir holten weiter auf und dann kam gegen Abend die schon befürchtete Flaute. Noch 10sm bis zum Ziel. Unter Code 0 kreuzten wir bei weniger als 5kn Wind weiter auf, das Helsingøer Schloss bei schönster Abendstimmung schon in Sichtweite. Ein Boot überholten wir noch, die anderen fuhren kurz vor uns ins Ziel. Um 23:00 überquerten wir als 5. Boot unserer Gruppe die Ziellinie – nur 28 Minuten nach dem ersten.

Konfuse Ergebnisse und abstruse Ratings

Auch berechnet wurde daraus für uns der 5. Platz in ORC B. Nach der Siegerehrung wurden die Ergebnislisten seltsamerweise noch einmal kommentarlos online geändert, niemand weiß so recht weshalb. Wir bleiben trotzdem auf dem 5. Platz. ORC ist und bleibt ein Mysterium. Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner aller Gruppen! Besonders stark gesegelt war auch das norwegische Team der Hyrrokkin, eine der zwei weiteren Dehler 30od im Feld. Gerade in den Phasen des Rennens mit wenig Wind hatten wir große Schwierigkeiten, mit ihrer Geschwindigkeit mitzuhalten, wo es doch eigentlich baugleiche Boote sein sollten. Nach dem Rennen erfuhren wir hierfür aber auch den Grund: ein radikal auf ORC getrimmtes und leergeräumtes Boot, dessen Gewicht sicherlich 300 kg unter dem unseres Crazy Boats liegt. Mit zwei guten Seglern an Bord, ein hartes Brett, an dem wir zu nagen hatten.

Danke an den ausrichtenden Sjeilklub Helsingør, der mit seinem hilfsbereiten Team und in Kooperation mit dem ORC eine schöne Veranstaltung auf die Beine gestellt hat! Bei Wettfahrtleitung und Jury mangelte es aber etwas an Qualität für eine Europameisterschaft und man hatte manchmal das Gefühl, dass die EM im Rahmen der großen Sjaelland Rund Regatta nur schmückendes Beiwerk war.

Wir hatten uns mehr von dieser Regatta erhofft, sind aber auf Grund der Windverhältnisse und der Tatsache, dass wir auf dem Boot erstmal unsere Margen finden mussten, dennoch nicht unzufrieden. Wir sind einige wirklich gute Abschnitte gefahren, die Manöver und Segelwechsel waren schnell und immer als eine der ersten im Feld, im Team funktionieren wir weiterhin super und die Kommunikation an Bord läuft. Mit unserem Speed waren nicht zufrieden und wir werden in Zukunft versuchen uns noch mehr auf unser Gefühl als auf die Werte der Instrumente zu verlassen.

Nach der “Arbeit” das Vergnügen

So ging es nach der Regatta in drei Etappen und etwas Sightseeing zurück nach Fehmarn. Auf keinen Fall wollten wir die riesigen Kreidefelsen von Møn missen und so kehrten wir auch in den Hafen von Klintholm ein, mit obligatorischer 20 km Wanderung zu den Klippen. Doch besonders viel Wind hatten wir auf dieser Überführung nicht. So nutzten wir die Zeit für kleinere Optimierungen am Boot, denn schon in einer Wochen geht es wieder los – dieses Mal dann zum Rund Bornholm im Rahmen der Warnemünder Woche. Bleibt also dran…

Rückweg nach Fehmarn