IDM Doublehanded – Travemünder Woche 2023

Mitte Juli und es schüttet wie aus Eimern… Es ist Samstagabend, während wir gerade das Boot von Fehmarn nach Travemünde überführen. Warum Samstagabend im Regen? Weil es Sonntag noch mehr regnen soll. Der Wind kommt beide Tage von vorn. Da wir Probleme mit dem Autopiloten haben, die wir nicht kurzfristig vor dem Ablegen lösen konnten, segeln wir oldschool per Hand – immer einer von uns im triefenden Nass.

Ein tiefes Wummern tönt in meinem Ohr.  Ein Schiff? Klingt melodisch. Es wird immer lauter, bis wir feststellen, dass es die Musik von der Hauptbühne am Strand von Travemünde ist. Gegen 23:00 Uhr, als wir die Segel am Eingang der Trave herunter nehmen, beginnt gerade die Light-Show auf der Passat – und wir, einmal quer durch den Beamerschein hindurch. Das ist eine Begrüßung, die wir uns jetzt für jeden Hafen wünschen!

Light Show auf der Passat

Flaute – ein häufiges Bild bei der TW23

Die Langstrecke

Die drei letzten Tage vor dem Start am Donnerstag verbringen wir noch zu Hause in Hamburg, bis wir am Mittwoch wieder aufs Boot ziehen. Skippersmeeting ist um 15:00 Uhr, Start dann für 18:00 Uhr direkt auf der Trave angesetzt. Da vorher allerdings noch Trave Races stattfinden und zwei Fähren angekündigt sind, verschiebt sich der Start um eine Stunde.

Volle Kreuz bis genau von achtern, in den Minuten vor dem Start ist alles an Windrichtung dabei. Wir entscheiden uns für einen konservativen Allround-Start unter Code 0. Wobei Start sich aktiver anhört, als es tatsächlich ist, denn praktisch werden wir bei fast keinem Wind von dem 1,2 Knoten Strom über die Linie, vorbei an dem prächtigen Viermaster „Passat“ gedrückt. Die ganze Aktion wird währenddessen von Land aus für die tausenden Zuschauer an der Meile kommentiert. Gekonnt in Szene gesetzt!

Entgegen der Erwartungen geht es bei herrlicher Abendstimmung, ohne Regen, hinaus in die Lübecker Bucht. Bei dem wenigen Wind liefern wir uns einen harten Kampf mit den anderen Zweihand Booten sowie weiteren zu „Rund Fehmarn“ gemeldeten Booten der ORCi Gruppe. Mangels Wind wurde der Kurs auf 60 Meilen verkürzt. Als wir schließlich kurz nach Mitternacht den nördlichsten Punkt erreichen, setzt der sehnlichst erwartete Regen ein. Es beginnt ein harter Kampf zwischen Lina und Sverre, wer als nächstes wieder unter Deck darf zum „Wetter checken“, was jedes Mal erstaunlich lange dauert…

Langsam haben wir den Dreh raus, auf welchen Wetterbericht Verlass ist, nämlich auf keinen. Dennoch liegen wir vor Pelzerhaken in einer halbwegs erwarteten Flaute fest. Der Wechsel vom tropfenden Spi auf den noch trockenen Code 0 klappt reibungslos und wir kreuzen elegant die letzte Meile zur Tonne. Dort gelingt uns der perfekte Coup: eine 320 Grad Pirouette um die Kardinaltonne Süd, dann mit rasant auffrischendem Wind im vollen Reach weiter.

Lange hält der Wind nicht an, doch kurz vor 07:00 Uhr erreichen wir endlich die Trave. Hier wird es nochmal richtig spannend, denn erstens: Wo ist die Ziellinie? und zweitens: Wer schafft es zuerst drüber? Die Class 40 „Red“, die J88 „Nemo“ und wir schieben uns Bug an Heck, Reling an Reling zentimeterweise vorwärts, bis schließlich drei eng aufeinanderfolgende Signale ertönen. Das war’s dann wohl… Auch wenn wir den mit Abstand schnellsten Rennwert haben, sind wir mit dem gesegelten zweiten Platz, wenige Sekunden hinter der Nemo, ganz zufrieden, doch für die kommenden Wettfahrten nehmen wir uns mehr vor.

Freitag = frei!

Somit schlafen wir erstmal bis mittags und holen das Entgangene der letzten Nacht nach. Es folgt der obligatorische Gang über die Meile. Es ist eine wirklich tolle Stimmung und die Veranstalter der Travemünder Woche schaffen es, Fest und Segeln in einen wundervollen Einklang zu bringen. Nur selten zieht der Geruch von Bratwurst, Schmalzkuchen und Handbrot gleichzeitig durch unser Sportgerät. Zwanghaft versuchen wir den vielen Versuchungen zu widerstehen, um noch Platz für das spätere Regattaessen auf der Passat zu lassen.

Regattadinner auf der Passat

Das Feld im Nacken

Zwei Mittelstrecken

Für Samstag und Sonntag sind je eine Mittelstrecke mit 20 bis 40 Seemeilen Länge angesetzt. Samstag etwas mehr, dafür Sonntag trotzdem viel lautet die Devise. Zunächst laufen beide Rennen ähnlich ab: nach einer kurzen Startkreuz geht es auf einen mehr oder weniger tiefen Reach, auf dem nach unserem Geschmack zu wenig Wind weht. Auf den tiefen Kursen ist taktisch nicht viel zu machen und wir geben alles, um das Maximum an Geschwindigkeit aus unserer Dehler zu holen.

An der Kreuz schlägt schließlich unsere Stunde. Vom Vortag wissen wir, wie mit den launischen Wetterberichten umzugehen ist. Um die Tonne, an den Wind, Code 0 hoch und Anschlag rechts, hinein in den Dreher. Langsam, aber kontinuierlich kommen die größeren Yachten aus dem Start hinter uns von hinten auf. Als uns das Erste in Luv überläuft, heißt es Zähne zusammenbeißen, denn der Dreher muss jede Minute kommen. Zack, da ist er! Wir legen um und es fehlen nur 8 Grad zur Luvtonne. Perfekt. Etwas dreht der Wind noch weiter, sodass wir uns nur noch 40 Meter nach Luv verholen müssen, um die Tonne zu runden.

Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. So auch den Blick des Bootes neben uns, als wir den Spi ziehen, um auf den extra Schenkel, der ausschließlich für die Zweihand Crews ist, zu gehen. Etwas verwirrt, aber voller Eifer tun sie es uns gleich. Auf halber Höhe wird gestoppt. Es ertönt ein Funkspruch an die Rennleitung: „Wie war das nochmal mit der kürzeren Bahn?“ Der halb gesetzte Spi verschwindet wieder und das Boot dreht ab.

Der Rest des Rennens verläuft unspektakulär. Wir führen das Feld an. Souverän, doch reicht es auch berechnet? Leider nicht und wir landen wieder auf dem dritten Platz. Sonntag ergeht es uns ähnlich, auch wenn der zum Schluss mit über 20 Knoten wehende Wind uns einen ordentlichen Boost verleiht. Nach über fünf gesegelten Stunden fehlen uns berechnet noch vier Minuten auf Platz eins.

Am Ende, …

… nach dreimal Platz drei wird es, welch ein Wunder, auch insgesamt Bronze. Sind wir zufrieden? Ja. Wir haben alles gegeben, nur wenige kleine Fehler gemacht und das Maximum aus dem Boot geholt. Da allerdings nur fünf Boote an den Start gingen, blieb den Veranstaltern kein Spielraum für eine faire Einteilung der Gruppen, sodass wir gegen teils sehr ungleiche Schiffe fuhren, die je nach Bedingung verschiedene Vorteile ausspielen. Doch wie im Leben ist nicht immer alles fair. Wir werden lernen, damit umzugehen und daran wachsen.

Die Crews der Nemo (links), Grace (mitte) und wir (rechts)